Internationale Tagung Migration und Identität im rumänischen Kulturraum. Multidisziplinäre Zugänge

Sibiu/Hermannstadt, 23.-25. Mai 2019

Zusammenfassungen

Panel 1

 

HISTORISCHE FORMEN VON MIGRATIONEN UND GEGENWÄRTIGE ETHNOLINGUISTISCHE IDENTITÄTSMUSTER

 

 

1. Ioana BASKERVILLE (A. Philippide Institut für rumänische Philologie)

 

Die Untersuchung des Unterschieds. Interkulturelle Wahrnehmungen der rumänischen Migranten

 

Auf Grund von Interviews, die mit rumänischen Migranten und Remigranten durchgeführt wurden, stellt der Beitrag die verschiedenen Arten dar, in denen die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen der Kultur des Ursprungslandes und jene des Ankunftslandes registriert werden. Dabei stehen die zwischenmenschlichen Dimensionen der kulturellen Kommunikation, Phänomene der Inter- und der Multikulturalität, Stereotypen sowie soziokulturelle Vorurteile der befragten Personen im Mittelpunkt. Die Selbstwahrnehmung durch Vergleich stellt somit im Kontext der Migration einen Weg des kulturellen Lernens und der Bewusstwerdung der eigenen kulturellen Identität dar und führt möglicherweise zum Abbau von ethnozentristischen Sichtweisen. Die Akkulturation und Exkulturation der rumänischen Migranten führen letztendlich zur Entstehung neuer spezifischer Formen der Beziehung zum kulturellen Erbe und der ethnischen Identität.

 

2. Bogdan CARANFILOF (Lucian Blaga Universität Hermannsdtat)

 

Die Zuwanderung der Juden in die Donau-Fürstentümer und nach Rumänien im 19. Jahrhundert

 

Im 19. Jahrhundert kam es auf dem Gebiet der Donau-Fürstentümer wie auch anderen Teilen Europas zu einem beschleunigten demographischen Zuwachs. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Juden, die in wachsender Zahl in den Fürstentümern, besonders in der Moldau, bereits seit dem vorangegangenen Jahrhundert anzutreffen sind. Die Zahl der Juden stieg in der Moldau im 19. Jahrhundert konstant: Wurden im Jahr 1787 2.203 Juden gezählt, so erhöhte sich ihre Zahl bis zur Mitte des Jahrhunderts auf fast 120.000, um vor dem Ersten Weltkrieg etwa 170.000 zu erreichen. Auch bildeten die Juden in vielen städtischen Siedlungen die Mehrheit, was die Restriktionen erklären, sich in den Dörfern anzusiedeln, und die Rolle, die sie bei der Gründung oder Entwicklung dieser Städte gespielt haben. In der Walachei lag die Zahl der Juden 1860 bei 9.234. Sie stieg bis 1899 auf 68.852 an, um dann bis 1912 zu stagnieren. Im Königreich Rumänien betrug 1859-1860 der Anteil der Juden 3,4% der Bevölkerung und erhöhte sich bis 1899 auf 4%. Im gesamten Zeitraum haben die Juden, zum Unterschied von anderen Gruppen, ihre ethnischen Eigenheiten sowie ihre spezifische Organisationsweise bewahrt.  

 

3. Adrian CIOFLÂNCĂ (Studienzentrum für die Geschichte der Juden in Rumänien, Bukarest)

 

Massendeportationen und Massenhinrichtungen von Juden in Transnistrien im Zweiten Weltkrieg. Der Fall Mostovoi

 

Der Holocaust in Transnistrien hatte sein Epizentrum in zwei Landkreisen im Osten: Golta und Berezovka. Das Dorf Mostovoi (Landkreis Brezovka), an der Landstraße zwischen Berezovka und Dumanovka gelegen, war eine Transitzone und zugleich Schauplatz von Massenhinrichtungen für die Juden aus Odessa, dem Süden Transnistriens und Bessarabiens sowie für die Deportierten aus Rumänien., Nach Efraim Fleischman, einem der Überlebenden, war dies „ein Ort des Todes, da hier fast alle getötet wurden“. Auch der Chef der Gendarmerie aus Berezovka, Octavian Ursuleanu, sprach von Mostovoi als dem „schrecklichsten Lager“.

Nach dem Massaker von Odessa im Oktober 1941 wurden während einiger Monate Tausende Juden in Richtung des Landkreises Golta geführt. Einige von ihnen wurden über den Bug geschoben, wo sie von Deutschen getötet wurden. Golta war in Kürze von zehntausenden Deportierten überfüllt. Der Winter 1941/1942 war sehr kalt, und die Kälte brachte Hunger und Krankheit mit sich. Es brach eine Typhus-Epidemie aus mit zahllosen Krankheitsherden. Die rumänischen Behörden töteten in Zusammenarbeit mit lokalen ukrainischen Milizen die nach Golta Abgeschobenen systematisch und gaben dafür sanitäre und logistische Gründe an. Zwischen Dezember 1941 und Februar 1942 wurden in Golta, insbesondere in Bogdanovka, Dumanovka und Akmetschetka, rund 70.000 Juden ermordet. Golta blieb als „Gebiet des Todes“ in Erinnerung. Als Folge der Überbevölkerung des Landkreises Golta wurde der Transit gestoppt und die Deportierten auch im Landkreis Berezovka gesammelt. Sie wurden in verlassenen Dörfern, in den Gebäuden der Kolchosen, in Ställen und Lagerräumen untergebracht und fielen dem furchtbaren russischen Wetter, der Typhusepidemie, der Hungersnot und der Aggressivität der ukrainischen und deutschen Bevölkerung zum Opfer. Mostovoi war der endgültige Bestimmungsort für etwa 35.000 Juden, deportiert aus der Region Odessa, Bessarabien und Rumänien. Folgt man dem ersten Chef der Gendarmerie aus Mostovoi wurde dort 34.600 Juden getötet und nur 100 gerettet. Nachdem Mostovoi von Juden „geleert“ worden ist, wurden Ende 1942 Roma aus Rumänien in das Gebiet deportiert.

Der Beitrag untersucht die Massaker im Raum Mostovoi, gestützt auf neues Archivmaterial und oral history. Die Gendarmen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, wurden nach dem Krieg vor Gericht gestellt, die Dokumentation befindet sich im Archiv des Landesrates für die Erforschung der Securitate-Archive. Im Laufe der Forschung wurde eine der wenigen Überlebenden von Mostovoi, Angela Genesko, die nun in New York lebt, interviewt.

 

4. Alexandru-Laurențiu COHAL (A. Philippide Institut für rumänische Philologie, Jassy)

 

Elemente der Innovation in der zeitgenössischen soziolinguistischen Forschungsmethode

 

Die zeitgenössische Soziolinguistik unterscheidet zwischen zwei Dimensionen abzufangen, die zur jahrzehntelangen Debatte im Bereich der Epistemologie und der Methodik geführt haben. Sie betrifft die Grenzen des Wissens durch wissenschaftliche Forschung, die den Menschen, das Individuum zum Gegenstand hat. Eingeschlossen sind dabei alte und auch neue methodologischen Praktiken, sowohl solche qualitativer (interpretativer) als auch quantitativer (korrelativer) Art. 

Die erste Dimension betrifft die Grenzen des Wissens im Allgemeinen. Sowohl im Falle der Soziolinguistik als auch im Fall anderer soziokultureller Disziplinen (z.B. Anthropologie, Soziologie, Politikwissenschaft, Philosophie), ist ein Faktor, der nicht ausreichend berücksichtigt wird: die Relativität von Forschungsergebnissen, die Einzelergebnisse extrapolieren und damit Einzelfällen allgemeingültige Aussagen, Urteile, Gesetzmäßigkeiten zuschreiben. Das ist der Fall, wenn Einzelpersonen das zentrale Thema der Forschung sind und somit nur aus einer einzigen analytischen Perspektive erforscht werden, ganz gleich wie grundlegend der ontologische Rahmen auch ist. In diesem Fall ist es ferner sehr wahrscheinlich, dass solche Analysen zu Schlussfolgerungen führen, die der Interaktion anderer Personen mit dem Forscher oder derselben Person zu einem anderen Zeitpunkt widersprechen. Daraus ergeben sich für den Forscher mindestens zwei Forderungen: Erstens ist Subjektivität der erhobenen Daten, der Art der durchgeführten Analysen und insbesondere der Schlussfolgerungen anzuerkennen.

Die zweite Dimension betrifft die Vorteile der Forschungsmethodologie im Bereich der geisteswissenschaftlichen Wissenschaften, die durch die Forschung der letzten Jahrzehnte nachgewiesen wurden. Demnach hat sich die Soziolinguistik sich zwei Schlussfolgerungen zu eigen gemacht: (1) ungeachtet der verschiedenen Mängel der sogenannten quantitativen Methode (d. h. Verwendung überzähliger oder falscher statistischer Instrumente) im 6. – 9. Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Soziologie, sollte auf die vorhandenen Vorteile dieser Methode nicht verzichtet werden und an die Erforschung der menschlichen Sprache angepasst werden. (2) Die Anpassung bezieht sich auf die dargestellte Relativität bzw. die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Auch wenn die klassischen methodischen Standardvorschriften, in unserem Fall der Dialektologie, eingehalten werden, und durch die Übernahme von Verfahren und Instrumenten aus den anderen Disziplinen verbessert werden, führt dies nicht dazu, darauf beruhenden Ergebnissen apriori eine höhere Repräsentativität beimessen werden kann, weder auf der Ebene der Individuen noch auf jener der Referenzpopulation. 

Was bleibt also? Die Aktualisierung der Methodik (durch Festlegung klarer Kriterien für die Datenbeschaffung, möglichst präzise Festlegung des Kontexts der Kommunikation, Aufbau der Arbeitshypothese und Definition der operativen Definition, Konzeption und Funktionsweise des Fragebogens, Analyse der Daten in der Datenmatrix, Analyse der Korrelationen zwischen den Variablen) ist eine notwendige Grundlage aus Sicht einer interpretativen Soziolinguistik, in deren Rahmen Feinuntersuchungen linguistischer Daten erfolgen können. Darauf gestützt können sich Linguisten und Nicht-Linguisten ihrem Forschungsgegenstand aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern und diese Erkenntnisse  mit anderen Daten in Verbindung setzen.

 

5. Victor COJOCARU, Lavinia GRUMEZA (Institut für Archäologie, Jassy)

 

Von der griechischen Kolonisierung zur „Sarmatisierung”: historiographische Interpretationen zur Assimilierung und zum Transfer neuer Identitätsmodelle im nordwestpontischen Raum

 

Der nordwestpontische Raum stellt eine bedeutende Kontaktzone der antiken Welt dar. Er zeichnet sich durch zahlreiche Beispiele des Zusammenlebens und der kulturellen Interferenz zwischen der Welt der Städte an der Meeresküste und dem „barbarischen” Hinterland aus. Der Beitrag möchte dazu beitragen, die Rolle von Bevölkerungsbewegungen bei der Aufnahme und dem Transfer neuer Identitätsmodelle beleuchten. Dabei nimmt er Bezug zu mehreren, in der Historiographie der letzten Jahrzehnte rege diskutierten Aspekten, die die Kontakte zwischen Griechen und Epichoriker von der Gründung der ersten apoikii (Istros, Borysthenes) und bis zum Eindringen der Sarmaten in die Verwaltungsstrukturen einiger poleis aus der Interessengegend (Olbia im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr.) betreffen.

Zunächst werden auf der Grundlage des derzeitigen Forschungsstands die Ursachen der griechischen Kolonisierung und des Kontextes, in dem sie stattgefunden hat, diskutiert. Dabei ist der Blick auf die Bevölkerungsbewegungen aus dem ägäisch-mediterranen Raum an die Ränder der nordpontischen Steppe gerichtet, die ihrerseits Bewegungen der „Autohtonen” in Richtung Meeresküste bewirkt haben. Zu den punktuellen Aspekten der späteren Interferenzen auf religiöser, wirtschaftlicher und politischer Ebene zählt die Verbreitung des Kultes von Apollo, das in Umlaufsetzen der premonetären Zahlungsmittel oder die vermutete Existenz eines „Skythischen Protektorats”. 

Setzen die Gründung und Entwicklung der griechischen Städte einen Prozess der Akkulturation der „Barbaren” voraus (durch Distanzierung von der lokalen oder Nomadentradition und Annahme von Einflüssen aus dem Mittelmeerraum), so ist mit dem Ende des „Großen Skythiens” – von vielen Forschern als Folge der Migration der Sarmaten vom Osten her betrachtet – eine immer ausgeprägtere „Barbarisierung” der griechischen Gemeinschaften zu beobachten. Im Versuch sich von einer Theorie der „Sarmatisierung” zu distanzieren, die in der modernen Historiographie apriori akzeptiert wird, werden neuerdings Gesichtspunkte vertreten, die ins andere Extrem schlagen, bis zum Definieren der Migration der Sarmaten als Produkt der historiographischen Einbildung. Aus diesem Grund ist eine Wiederaufnahme der Diskussion der schriftlichen Quellen und der archäologischen Offensichtlichkeiten sehr willkommen.

Aus chronologischem und geografischem Gesichtspunkt aus betrachtet bietet die griechisch-römische Antike ein breites Spektrum an Ansätzen für die Untersuchung des Phänomens des „Fremden”/ des „Anderen” und der verschiedenen Modelle der Inklusion und Exklusion. So betrachtet, können die oben erwähnten Aspekte der Forschung auch für Fragen relevant sein, die in verschiedenen Formen in der Entwicklung der derzeitigen Gesellschaft auftauchen, ganz gleich ob wir uns auf die sozio-ökonomischen, politischen oder kulturellen Aspekte beziehen. Auch muss der Tatsache Rechnung tragen, dass der Begriff „Migration” eine Vielzahl an Nuancen und unzählige menschliche Schicksale miteinbezieht, die uns verpflichten die Vergangenheit „in zerbrochenen Spiegeln” wiederzufinden, „aus denen einige Fragmente unwiederbringlich verloren sind“ (C. Pesso-Miquel).

 

6. Andrei CORBEA-HOIȘIE (Alexandru Ioan Cuza Universität, Jassy)

 

Bukarest – Hauptstadt der Literatur der germanophilen Diaspora der Bukowina (1945-1948)

 

Der Beitrag möchte die Ursachen und Mechanismen hervorheben, die den Wiederaufbau eines deutschsprachigen kulturellen und literarischen Netzes in den Jahren nach 1944-1945 möglich gemacht haben. Versucht wurde im Bukarest der Jahre 1945-1947, jenes Netz wiederherzustellen, das in der Vorkriegszeit im von den sowjetischen Truppen besetzten Czernowitz bestanden hat, und zwar durch Vertreter der Deutsch sprechenden jüdischen Bevölkerung, deren massive Auswanderung nach Rumänien von den Behörden toleriert/stimuliert worden ist. Die Fallstudie widmen sich Paul Celan und Immanuel Weissglas. Deren so unterschiedliches Schicksal als deutsche Dichter wurde von ihrem Mentor Alfred Margul-Sperber am Anfang jener Jahre in der Hauptstadt Rumäniens  mit geprägt.

 

7. Andrei CUȘCO, Philippe Henri BLASEN (Geschichtsinstitut „A.D. Xenopol”, Jassy)

 

Nowosielitza - Triplex Confinium. Grenzübergreifende Erfahrung an den Peripherien des Reiches (1880-1914)

 

Nowosielitza – 1812 zwischen dem Russischen Reich und Österreich-Ungarn geteilt und dadurch Grenzort, 1893 ein internationaler Eisenbahnknotenpunkt – hat eine ähnliche Rolle gespielt wie andere Grenzübergangspunkte zwischen den beiden Reichen, er fand jedoch kaum der Aufmerksamkeit von den Historikern dieses Raumes.

Der Beitrag ist ein erster Versuch das Alltagsleben dieses Marktfleckens zu rekonstruieren, in dem sich die Peripherien zweier Reiche überschnitten. Er erlaubt es, die Spezifika der grenzübergreifenden österreichisch-russischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte des „langen 19. Jahrhunderts” zu untersuchen. Der Beitrag fußt auf bisher unausgewerteten diplomatischen Quellen aus dem Österreichischen Staatsarchiv und insbesondere auf Dokumenten der kaiserlich-und-königlichen Konsularagentur im russischen Nowosielitza. Im ersten Teil steht die tägliche Grenzüberschreitung (Handel, Migration, Schmuggel, usw.) im Mittelpunkt sowie die grenzüberschreitenden Bewegungen spezifischer ethnischer und religiöser Gruppen (Altgläubige, Juden, „russofile“ Rutenen, usw.) im Mittelpunkt. Der zweite Teil des Beitrages ist einem charakteristischen Phänomen jenes Raumes und der betreffenden Zeitspanne gewidmet: der Spionage, die sowohl aus der Perspektive individueller Erfahrungen als auch aus jener der Haltung der Behörden dem Phänomen gegenüber behandelt wird. Um das Bild zu vervollständigen werden auch die Beziehungen zwischen den österreichisch-ungarischen und russischen Behörden mit dem dritten Anrainerstaat – dem Königreich Rumänien – mit einbezogen.

 

8. Dorin DOBRINCU (Geschichtsinstitut „A.D. Xenopol”, Jassy)

 

Die Flucht vor dem Hunger. Die temporäre Migration aus der Moldau in den Westen und Süden Rumäniens, 1946-1947

 

Die (westliche) Moldau war 1944 ein bedeutender Schauplatz militärischer Operationen. Weite Gegenden wurden vom Krieg zerstört und/oder die rumänischen, deutschen und sowjetischen Truppen bedienten sich der Ressourcen. Hinzu kommen die Folgen der rumänischen Verwaltung und zwar sowohl jener von Bukarest abhängigen im Süden der Region als auch jeder sowjetischen Verwaltung im Norden. Das Gebiet war 1945 von Dürre betroffen, die 1946 ihren Höhepunkt erreichte. Im Unterschied zu anderen Dürreperiode, die es in der jüngeren Geschichte gegeben hatte, erfolgte jene 1946 in der Zeitspanne, als die Pflanzen Wasser für die Entwicklung benötigten. Die – vorrangig dörflichen – Gemeinschaften der Region waren stark betroffen.

Ohne wirksame Unterstützung der Behörden, die im Prozess der Umbesetzung sowie der politischen und ideologischen Unterordnung standen, suchten immer mehr Moldauer, aber auch Einwohner aus dem Nordosten der Walachei, aus dem Norden der Dobrudscha und aus dem Szeklerland Rettung in anderen Landesteilen Rumäniens, in den sogenannten überschüssigen Gegenden. Insbesondere in der Kleinwalachei, im Westen der Walachei, im Banat und dem Kreisch-Gebiet suchten sie Rettung. Die meisten der „Hungrigen” oder „Moldauer”, wie sie verallgemeinert genannt wurden, verließen ihre Wohnorte um Getreide zu kaufen, vor allem Mais, den sie nach Hause zu befördern versuchten, wobei sie oft in Konflikt gerieten mit der Lokalverwaltung, der Gendarmerie, der Polizei und der Eisenbahngesellschaft. Um Geld zu besorgen, verkauften die Leute ihre Habe, oft einschließlich die Kleidung aber auch das Vieh, manchmal auch den Boden. Es gab viele Fälle in denen die Bewohner der von Dürre betroffenen Gegenden mit den Familien aufbrachen in der Absicht, sich zeitweilig im Westen und Südwesten Rumäniens niederzulassen, wo sie verschiedene Wirtschaftstätigkeiten aufnahmen, meistens in der Landwirtschaft, im Tausch für Essen. Das betraf nicht nur Einzelpersonen und Familien, sondern auch ganze Gruppen. Neben den von verschiedenen Stellen im Land und Ausland erhaltenen Hilfen unterstützten diese Gruppen unter großen Schwierigkeiten die Bewohner in den betroffenen Gebieten, die äußerst schwere Zeitspanne zu überstehen. Es war eine traumatische Erfahrung, die sich über Jahrzehnte im kollektiven Gedächtnis in der Moldau und in den angrenzenden Gebieten erhalten hat.

 

9. Ana-Daniela FARCAȘ (Fakultät für Sprachwissenschaften des Universitätszentrums Nord)

 

Bemerkungen zur Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) und der Verletzbarkeit der rumänischen Migrantengemeinschaften in Frankreich

 

Angesichts der derzeitigen Tendenzen der Mobilität der rumänischen Staatsbürger im Raum der Europäischen Union kann festgestellt werden, dass sich in Frankreich eine immer klarer umrissene rumänische Gemeinschaft herausbildet. Dieser Prozess erfolgt um einen nach geografischen Gesichtspunkten hervorgehobenen Kern und nicht aufgrund der Anzahl der Migranten (Frankreich ist nicht das EU-Land mit den meisten rumänischen Migranten).

Was das Bewahren der rumänischen Bräuche und Traditionen in der rumänischen Diaspora angeht, so wurden einerseits eine Reihe von Risikofaktoren identifiziert, sowohl auf der persönlichen, individuellen Ebene, als auch jener der Gemeinschaft, die das Bewahren und Fortführen erschweren oder ändern. Andererseits können dennoch auch Elemente identifiziert werden, die dem Weiterleiten und Pflegen der Bräuche und Traditionen günstig sind. Der Beitrag fragt: Sind diese Faktoren, diese Elemente, welche die Art beeinflussen, in der die rumänischen Migranten in Frankreich leben, allen rumänischen Migrantengemeinschaften gemeinsam (unabhängig vom Land, in dem sie ein neues Leben beginnen), oder können gewisse Eigenheiten bei den Migranten in Frankreich festgestellt werden?

 

10.  Ioan Mircea FARCAȘ (Fakultät für Sprachwissenschaften des Universitätszentrums Nord)

 

Rumänische dialektale Aussprachenformen bei den rumänischen Migranten in Frankreich

In allen Ländern finden sich die rumänischen Migranten in der Zweisprachigkeit wieder. Dabei erhält die Sprache des neuen Aufenthaltslandes eine größere Bedeutung als die Muttersprache. In Fall unserer Forschungen geraten Rumänisch und Französisch in einen ungleichen Wettstreit. Unter dem beträchtlichen Einfluss des Französischen erfährt das Rumänische Veränderungen, die zu neuen Sprachvarianten führt. Als Ergebnis des ständigen sprachlichen Kontakts mit der französischen Bevölkerung zeigen sich bei den rumänischen Migranten linguistische Interferenzen insbesondere im Wortschatz (der als der offenste Bereich in jeder Sprache betrachtet wird).

Die Forschung ist sich einig darin, dass die Frauen ein koservativeres Sprachverhalten aufweisen als die Männer, was vor allem für den Bereich der Dialektologie nachgewiesen wurde. Das zeigen auch die Ergebnisse soziolinguistischen Befragungen im Sommer 2018 in Paris von rumänischen Migranten. Bei einer Familie aus dem Verwaltungskreis Sathmar/Satu Mare hat die Ehefrau mehr rumänische dialektale Phonetismen bewahrt als ihr Mann, und das obwohl beide aus derselben Ortschaft im Oascher Land/Ţara Oaşului stammen.     

 

11. Adina HULUBAȘ (A. Philippide Institut für rumänische Philologie, Jassy)

 

Der Kalender auf Distanz. Die rumänischen Emigranten in Italien und ihre kulturellen Praktiken

 

Die geografische Entfernung zwischen dem Gast- und dem Herkunftsland verstärkt in den meisten Fällen die psychosozialen Bedürfnisse. Die im Rahmen unseres Projektes befragten rumänischen Emigranten setzen ihre zu Hause ausgeübten kulturellen Praktiken entweder unverändert fort oder sie interessieren sich plötzlich dafür und nehmen Verhaltensweisen auf, denen gegenüber sie vor der Migration gleichgültig waren.

Der Beitrag verwendet Informationen über die Oster-, Winter- und Frühjahrsbräuche, um Argumente für den soziokulturellen Wert der traditionellen Symbole in einer kosmopolitischen Welt zu bestimmen. Die ursprüngliche Identität bietet den Migranten interne Ressourcen, die stark genug sind, um die täglichen Schwierigkeiten zu überbrücken. Im Folklorearchiv der Moldau und Bukowina seit dem Jahr 1970 registrierte Daten unterstützen die Annahme einer ununterbrochenen Kontinuität des an Bräuche im Verlauf des Kalenderjahres gebundenen Glaubens.

 

12. Florea IONCIOAIA (Alexandru Ioan Cuza Universität, Jassy)

 

Junge Rumänen als Studenten im Ausland im 19. Jahrhundert. Neue Quellen und Forschungsansätze

 

Die Erforschung der Mobilität der Studenten im 19. Jahrhundert setzt sowohl einen systematisch und breit angelegten Forschungsansatz als auch eine intensive Befragung der verfügbaren Quellen voraus. Im Unterschied von anderen Themen der historischen Forschung, ist die Auseinandersetzung mit den Quellen im Falle der Mobilität von Intellektuellen zentral. Unter epistemologischem Gesichtspunkt ist zu beachten, dass sich der Forschungsgegenstand in ständiger Bewegung befindet, was Folgen für das Auffinden von Quellen hat, einschließlich durch Neudefinition der Quelle als historischen Kategorie. Darüber hinaus ist die variable Geometrie des Gegenstandes durch die extreme Verschiedenartigkeit, Ungleichheit und Komplexität der Quellen selbst gegeben. Nicht unwichtig ist zudem, dass die Untersuchung der studentischen Wanderschaft lange Zeit eher auf Zufallsfunden beruhte und eine Problematisierung des Untersuchungsgegenstandes fehlte.

Indem der Beitrag die Notwendigkeit der Reflexion der Quellen unterstreicht, konzentriert er sich auf zwei Aspekte. Er beleuchtet zum einen Routineaspekte, die jeder Geschichtsforschung eigen sind (Verhältnis von Forschung und Quellen, deren Auswertung, Klassifizierung und Archivierung), und diskutiert die Beziehung zwischen Quelle und Forschungsmethode bzw. die Techniken der Erhebung und Bearbeitung der Daten. Zum anderen wirft der Beitrag einen vergleichenden Blick auf die Quellen selbst. Dabei hat er insbesondere jene Universitäten, an denen junge Rumänen im 19. Jahrhundert vor allem studiert haben, also jene des deutschsprachigen Raums und Frankreichs.

 

13. Sergiu MUSTEAȚĂ (Ion Creangă Pädagogische Universität)

 

Kann im 8. – 10. Jahrhundert von Gruppenidentitäten im Donau- und Schwarzmeer-Raum gesprochen werden?

 

Die archäologischen Funde aus dem 8. – 10. Jahrhundert im Karpathen-Donau-Schwarzmeer-Raum werden aufgrund ihrer typologischen Merkmale üblicherweise mehreren Kulturen zugeordnet. Die historiographischen Divergenzen betreffend die kulturellen Begriffe, die das frühe Mittelalter kennzeichnen. Dabei stehen eher die chronologische und ethnische Zuordnung der Entdeckungen im Mittelpunkt. In Siebenbürgen konzentrieren sich die archäologischen Stätten aus dem 8. – 10. Jahrhundert auf einige Gebiete – Mediaș, Gambaș, Nusfalau, Blandiana, Ciumbrud, Cluj. Die Mehrzahl der Entdeckungen in der Moldau, in Muntenien und teilweise in Siebenbürgen werden in der rumänischen Historiographie als eine erste Etappe (Hlincea Kultur) der Dridu Kultur zugeordnet, die in der Literatur auch unter den Bezeichnungen Balkan-Donau, Karpaten-Donau, Balkan-Karpaten oder Kultur des ersten bulgarischen Zarenreiches bekannt ist. Daraus wird versucht, eine Ausbreitung oder gar ihre ethnische Zugehörigkeit abzuleiten. In der sowjetischen Historiographie wurden die Entdeckungen des 8. – 10. Jahrhunderts aus dem Pruth-Dnjestr-Raum der Luka Rajkoveckaja-Kultur und einige Ansiedlungen des mittleren und südlichen Teils der Balkan-Donau-Kultur (Dridu) zugeordnet. Dan Gh. Teodor vertritt die Ansicht, dass es zahlreiche Unterschiede gibt zwischen den Kulturen Hlincea und Luka Rajkoveckaja, so dass sie nicht als gemeinsamer Kulturkomplex betrachtet werden können und dass die Hlincea Kultur eher als ein Aspekt des Dridu-Types betrachtet werden kann. Die Frage der ethnischen Zuordnung der Dridu-Kultur hat in der europäischen Historiographie hitzige Diskussionen ausgelöst, ohne dass ein Konsens erzielt worden wäre. Eine ethnische Einheit auf einem so weiten Territorium nördlich und südlich der Donau, wo die Dridu oder Balkan-Donau-Kultur verbreitet war, ist für das 9. – 10. Jahrhundert schwer vorstellbar. Das umso mehr, als im Norden des Unterlaufs der Donau mehrere regionale Varianten dieser Kultur in Erscheinung treten.

Es ist verfrüht von einer kulturellen, ethnischen und geistigen Homogenität und Einheit der Bevölkerung nördlich der unteren Donau ab dem 7. Jahrhundert zu sprechen, da die lokale Gesellschaft in der Zeitspanne 7. – 10. Jahrhundert stark von neuen Bevölkerungsbewegungen sowohl aus dem Westen als auch aus dem Osten Europas – Awaren, Slawen, Bulgaren, Madjaren usw. – beeinflusst war. Die Beziehungen auf politischer und religiöser Ebene zwischen dem Byzantinischen Reich, dem Khanat der Awaren, dem Karolinger Reich, Großmähren, Bulgarien, den madjarischen Stämmen und dem Kiewer Rus hatten direkte Auswirkung auf die Regionen nördlich des Donauunterlaufs im 7. – 10. Jahrhundert. Die an Bodenschätzen, insbesondere Salz, reichen Regionen waren ein politischer Streitpunkt und zwar nacheinander zwischen Gepiden, Awaren, Slawen, Bulgaren und Madjaren. Während des zweiten awarischen Khanats fanden Bevölkerungsbewegungen sowohl der Awaren als auch der Slawen vom Westen in die Gegenden östlich der Theiss statt. In der Banat-Kreisch Ebene und in Siebenbürgen erscheinen eine Reihe neue awarische und slawische Siedlungen und Nekropolen, die eine direkte Verbindung zum Salzabbau und -handel hatten. Das Verschwinden des awarischen Khanats hat eher zu neuen Bevölkerungsbewegungen und Konfrontationen um die Macht über die vorher von den Awaren kontrollierten Regionen geführt als zu einer politisch ruhigen und demographisch stabilen Periode, wie dies in der rumänischen Historiographie behauptet wird. Im Verlauf des 8. - 9. Jahrhunderts nimmt die Zahl der Siedlungen in der Bukowina beträchtlich zu, die den Eigenheiten der materiellen und geistigen Kultur nach in großem Maß dem slawischen Umfeld angehört haben. Die wichtigsten Nutznießer waren nach dem Verfall der Macht der Awaren an der Unteren Donau die Bulgaren. Im 9. Jahrhundert verursachte die bulgarische Kontrolle der Regionen im Norden der Donau die Bewegung von romanischen und bulgarisch-slawischen Gemeinschaften vom Süden in den Norden des Flusses, wovon die Ähnlichkeit der materiellen Kultur an den beiden Ufern zeugen. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts sind neue Bewegungen slawischer Stämme aus den Dnjestr-Regionen nachgewiesen, Phänomene, das in den Gegenden des mittleren Dnjestr zur Kultur vom Alcedar-Echimăuţi-Typus (10. – 11. Jahrhundert) geführt haben. Das Ende des 9. Jahrhunderts hat durch das Wandern der madjarischen Stämme in die Pannonische Ebene neue politische Veränderungen in Europa bewirkt. Unter solchen sozial-ökomischen und politischen Umständen war das Herausbilden einer einheitlichen Gesellschaft auf der Grundlage ökonomischer, sozialer und lokalpolitischer Beziehungen ziemlich schwer umzusetzen. Der Prozess der Vereinheitlichung fand während einer langen Zeitspanne statt, der Rhythmus und die Intensität dieses Phänomens war von Region zu Region verschieden.

 

14. Irina NASTASĂ-MATEI (Bucharest Universität)

 

Die Migration der Akademiker: ein Schritt ins Exil? Perspektiven aus der kommunistischen Periode

 

Die Mitte der 1960er Jahre bedeutet (mit dem Machtantritt Ceaușescus 1965) eine Öffnung des politischen Regimes Rumäniens dem demokratischen Westen gegenüber. Der wirtschaftliche und kulturelle Austausch mit den westlichen Staaten wird (wieder) aufgenommen, es werden Konsulate und Botschaften von Staaten eröffnet, die bis dahin von den Warschauer-Pakt-Staaten nicht anerkannt worden waren. Rumänien wird ein aktiver Faktor im Rahmen akademischer und technologischer Austausche zwischen Ost und West, immer mehr Studierende und Forscher aus Rumänien erhalten Stipendien, um im Westen zu studieren und sich zu spezialisieren. Andererseits konnte nicht jeder, der es wünschte, ein Stipendium im Ausland beantragen. Die Studierenden und Forscher wurden einer aufmerksamen Analyse unterzogen, bevor sie die Erlaubnis erhielten, aus dem Land auszureisen und wurden auch nachher überwacht.

Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag das Phänomen der akademischen Migration in die Länder des demokratischen Westens, wobei das Schwergewicht auf das Fernbleiben einiger Stipendiaten/Forscher gelegt wird, also jener die nicht nach Rumänien zurückgekehrt sind. Neben dem Hervorheben einiger spezifischer Fälle von Intellektuellen, die nicht mehr ins Land zurückkehrten, sollen Schlussfolgerungen gezogen werden betreffend der Art, in der diese Option sowohl von jenen gehandhabt wurde, die zu Studien oder Forschungsaufenthalten ins Ausland fuhren als auch von Seiten des kommunistischen Staates.

 

15. Florina Olariu, Veronica Olariu (A. Philippide Institut für rumänische Philologie, Jassy)

 

Kulturelle Identität und soziolinguistisches Verhalten im Kontext der Minderheit: die Huzulen und die Polen in der Südbukowina

 

Ein Hauptmerkmal des geographischen Raumes der Bukowina ist gegenwärtig seine multi- und interkulturelle Prägung, die auf seine turbulente Geschichte und seine geopolitische Lage zurückzuführen sind: es ist dies ein Teil Europas, der gleichermaßen von der slawischen Welt und der Kultur der Romanität in ihrer östlichen Prägung beeinflusst ist und fast ein Jahrhundert lang von der sprachlichen und kulturellen Politik der österreichisch-ungarischen Monarchie geprägt war. Die Bukowina wurde so rasch zu einem Beispiel für ethnisches Beisammensein/ Konvivialität. In dieser Zeitspanne mussten Rumänen, Ukrainer, Polen, Deutsche, Juden und Russen zusammenleben, Situation, die das Schaffen eines für Sprachkontakte günstigen Raumes begünstigt hat.

Auf rumänischer Seite der historischen Bukowina gibt es heute noch Vertreter der Huzulen, der Polen, der Ukrainer und der Lipowaner, was uns veranlasst hat, Feldforschung zu betreiben, um die Sprachpraktiken zu erfassen, die für diese ethnischen Gruppen, die in anderssprachiger Umgebung leben, spezifisch sind. Die Forschungsarbeiten begannen im Jahr 2012, und bisher wurden zwei polnische Gemeinschaften (Poiana Micului und Bulai) und zwei Gemeinschaften der Huzulen (Brodina und Izvoarele Sucevei) untersucht. Das bot uns die Gelegenheit, Aspekte des Sprachverhaltens und der Spracheinstellungen zu beobachten, die diese beiden Minderheiten gegenüber der Mehrheitsbevölkerung zeigen, die in diesem Gebiet von der rumänischen Bevölkerung gebildet wird. Dabei wurde der Ansatz der pluridimensionalen Geolinguistik verfolgt, wonach in jeder Ortschaft jeweils vier Personen befragt wurden, um zwei Variationstypen abzudecken: die Generationsvariation (zwei junge versus zwei ältere Personen) und die geschlechterspezifische Variation (zwei Frauen im Vergleich zu zwei Männern). Diese heuristische Strategie hat es uns ermöglicht, in situ Elemente zu bestimmen, die zur Vitalität und der soziolinguistischen Loyalität der beiden befragten ethnischen Gruppe gehören und auf diese Weise die „Leuchttürme“ von Identitätsketten im Minderheitenkontext zu beobachten.

 

16. Leonidas RADOS (Geschichtsinstitut „A.D. Xenopol”, Jassy)

 

Rumänische Stipendiaten an der Universität Torino in den 1860er Jahren: neulateinische Annäherung oder akademische Zweckmäßigkeit?

 

Die Zeitspanne nach der Doppelwahl von Alexandru Ioan Cuza brachte eine beachtliche Anzahl an Stipendien mit sich. Diese wurden von verschiedenen Behörden angeboten, um die Ausbildung im Ausland zu vollenden und akademischen Titeln (Lizenzen und Promotionen) zu erreichen, um so die finanziellen Zuwendungen des Staates zu rechtfertigen. Die Politik der Stipendienvergabe war, anders als bisher angenommen, mit den Richtlinien der Außenpolitik verknüpft. Auf Vorschlag von V.A. Ureche, Leiter der öffentlichen Bildung, wurden die jungen Stipendiaten vorrangig in Ausbildungszentren in neulateinische Länder wie Frankreich, Italien und Spanien geschickt.

Für den Beitrag wurde eine der angesprochenen Ausbildungsstätten, die Universität in Torino/Turin gewählt, also die Stadt, die damals auch die Hauptstadt Italiens war. Dabei wird untersucht, wie es zu dieser Priorität bei der Ausrichtung der Stipendiaten ab der Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts kam und wer daran mitwirkte (Behörden, Professoren und Stipendiaten). Gefragt wird auch nach dem möglichen Nutzen und den Folgen des von den rumänischen Behörden gefassten Beschlusses.

 

17.     Alexander RUBEL (Institut für Archäologie, Iași)

 

Die Stadt (L)Ibida (Scythia Minor) im Kontext einer neuen Verteidigungsstrategie des Reiches in der Spätantike

 

Jüngere Forschungen, v.a. aus dem Bereich Pannoniens (O. Heinrich-Tamáska), haben zeigen können, dass entlang der Donau seit der Zeit Diokletians und Constantins I. anhand des archäologischen Befunds eine nachhaltige Veränderung der Verteidigungsstrategie des römischen Reiches beobachtet werden kann. Das Auftauchen neuer Befestigungsanlagen kleiner und mittlerer Größe sowie der Ausbau existierender Siedlungen zu Festungsstädten lässt sich in erster Linie archäologisch nachweisen. Die sogenannten „Innenbefestigungen“ sind sichtbare Zeichen einer neuen Strategie des Imperiums den Angriffen aus dem Barbaricum etwas entgegen zu setzen. Dieser Beitrag versucht die neusten Forschungsergebnisse vom Fundplatz Slava Rusa (die antike Siedlung (L)Ibida) zusammen mit den Befunden von Ulemtum und Tropaeum Traiani (alle in Scythia Minor) zu einem neuen Bild der römischen Verteidigungsstrategie zusammenzufügen, in welchem sich eine Linie ziehen lässt von den pannonischen Verteidigungsanlagen im Hinterland der Donau bis zu den Befestigungen im Hinterland des Mündungsgebiets im heutigen Rumänien, das bislang noch nicht in dieser Hinsicht erforscht wurde. In der Zusammenschau ergeben sich neue Aspekte für die Zeit der Spätantike, in der der das römische Reich den Invasionen und Angriffen der Barbaren keineswegs wehrlos gegenüberstand, sondern sinnvolle Strategien entwickelte, die nur archäologisch belegt sind und erst in jüngster Zeit ans Licht kamen.

 

18. Aurel RUSTOIU, Iosif Vasile FERENCZ (Institut für Archäologie und Kunstgeschichte Klausenburg)

 

Der keltische Kulturhorizont in Siebenbürgen (4.-2. Jh. v. Chr.). Kolonisten, Kolonisierte und die Hybridisierung der Gemeinschaftsidentitäten

 

Der kulturelle und chronologische keltische Kulturhorizont entstand in Siebenbürgen durch einen Kolonisierungsprozess, der in sukzessiven Etappen in der zweiten Hälfte des 4. und zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. stattgefunden hat und die Migration nach Osten von Bevölkerungsgruppen aus den mittel- und westeuropäischen Gegenden in der zweiten Hälfte des 4. Jh. und zu Beginn des 3. Jh. v. Chr. einbezogen hat. Folgt man dem Vertretern der „Kolonialismus-Archäologie”, so hat der Begriff „Kolonisierung” verschiedene Sinngebungen erfahren hat, entsprechend der historischen Situation in der er verwendet wurde.

Im vorliegenden Beitrag bezeichnet der Begriff „Kolonisation” die Migration eines Teiles einer Gemeinschaft oder von Gruppen bestehend aus mehreren Individuen, die unterschiedlichen Gemeinschaften entstammen, und die sich um eine Elite, Prinzipien, Ideen usw. herum konstituieren, mit dem Ziel, ein neues Territorium außerhalb ihrer Ursprungsgegend dauerhaft zu besetzen. Den Kolonisierungen liegen verschiedene Ursachen zu Grunde und sie wurden von spezifischen Bedingungen beeinflusst: Überbevölkerung, wirtschaftliche, soziale, politische, religiöse, klimatische, usw. Motive. Die „Kolonisierung“ ist kein einfacher Umzug aus einem Gebiet in ein anderes. Sie setzt einen komplexen Prozess der Interaktion zwischen „Kolonisatoren“ mit eigener, der Herkunftsgegend spezifischer Identität voraus, die versuchen, ihre Prinzipien und sozialen, ideologischen usw. Normen durchzusetzen, und den „Kolonisierten“, die ihrerseits eine spezifische Identität haben und die unterschiedliche Grade des Widerstands den Neuankömmlingen gegenüber oder im Gegenteil eine gewisse Bereitschaft sich in die neuen Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren, äußern. Diese Interaktion führt zur Transformation von Gemeinschafts- oder Gruppenidentitäten, der Konstruktion neuer Identitäten, dem kulturellen Vermengen, der „Kreolisierung“, „Hybridisierung“, dem Erfinden neuer Traditionen, usw.

Ziel unseres Beitrages ist es, solche Aspekte am Beispiel der Interaktionen zwischen den keltischen Gruppen, die sich in Siebenbürgen niedergelassen haben, und den einheimischen Gemeinschaften in der zweiten Eisenzeit zu untersuchen.

 

19. Grigory SHKUNDIN (Historiker Verein Russlands, Moskau)

 

Der Erste Weltkrieg und die Bevölkerungsbewegungen in der bulgarisch-serbischen Grenzregion

 

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die ethnische Lage in den Grenzregionen zwischen Bulgarien und Serbien sehr angespannt. Die dem Serbischen Königreich durch den Friedensvertrag von Bukarest von 1913 zuerkannten Territorien, einschließlich ein Teil Mazedoniens, befanden sich erst in der Integrationsphase in den serbischen Staat. Am Vorabend des Krieges hatte Bitola 60.000 Einwohner und Skopje 50.000, doch stellten die Serben nicht die Mehrheitsbevölkerung. Nach dem österreichisch-ungarischen Angriff auf Serbien und dem Beginn der militärischen Operationen flüchteten viele Serben, einschließlich aus Belgrad, ins Innere des Landes, möglichst weit von der Frontlinie weg, und ließen sich auch in den Grenzregionen zu Bulgarien nieder. Nach dem Eintritt Bulgariens in den Krieg und dem Beginn der militärischen Operationen gegen Serbien im Oktober 1915 war der Großteil der Flüchtlinge, die sich in Mazedonien niedergelassen hatte, verpflichtet, sich mit der serbischen Armee durch Kosovo und Albanien in Richtung adriatische Küste zurückzuziehen. An ihrer Stelle brachte die bulgarische Besatzungsverwaltung in den Jahren 1916-1918 Bevölkerungsgruppen aus Bulgarien. Die letzte Migrationswelle erfolgte Ende 1918 und Anfang 1919, als infolge des Waffenstillstandes von Saloniki die bulgarische Bevölkerung die angefochtenen Territorien an der Grenze zu Serbien in Eile verließ.

 

20. Dan Gabriel SÎMBOTIN (Gheorghe Zane Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung)

 

Die rumänische Migration zwischen „Komplexität des Phänomens” und „Mensch”

 

Die meisten Migrationsstudien sind einseitig und behandeln nur Teile des Phänomens, indem nur wirtschaftliche oder soziologische Phänomene verfolgt werden. Das Phänomen Migration erfordert jedoch aufgrund seiner Komplexität eine multidisziplinäre Erforschung, an der Fachleute aus verschiedenen Bereichen wie Geschichte, Soziologie, Geografie, Wirtschaft, Psychologie, Philosophie, Politikwissenschaft usw. beteiligt sind, und eine Integration der verschiedenen Forschungsergebnisse.

Im Beitrag werden Argumente diskutiert, warum die Migration als komplexes Phänomen vom Einzelfall bis hin zu Verallgemeinerungen verfolgt werden muss, wobei Variabeln identifiziert werden, die auf unterschiedlichen Ebenen wirksam sins: der Mikroebene (das Spezifikum der Person oder Familie), der mittleren Ebene/middle range (mittlere und kleine soziale Gruppen), der Makroebene (große soziale Gruppen, Regionen oder nationale Ebene) sowie der globalen Ebene (mit Bezugnahme auf das Gesamtbild der Migration). Blickt man auf die Statistiken der rumänischen Migration, kann die Spezifizität auf Makroebene identifiziert werden; jenseits der Statistiken ist jedoch die Mikroebene sehr wichtig, die im persönlichen Erleben und den emotionalen Auswirkungen wiederspiegelt werden, die nur durch inhaltliche Untersuchungen festgestellt werden können. Indem die beiden Ebenen einander gegenübergestellt werden, können die Unterschiede zwischen Theorie und den individuellen Notwendigkeiten hervorgehoben werden.

 

21. Flavius SOLOMON (Geschichtsinstitut „A. D. Xenopol” Jassy)

 

„Der Proletarier hat kein Vaterland”. Die europäische politische Emigration und die rumänischen Sozialisten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts – Der Fall Cristian Racovski

 

Rumänien wurde seit den 1870er Jahren zu einem wichtigen Zielland für die politische russische Emigration. Hier haben für eine kürzere oder längere Zeitspanne bedeutende Persönlichkeiten des frühen russischen Marxismus gewirkt, darunter Pavel B. Axelrod, Nikolai K. Sudzilovski (dr. Russel), Constantin Dobrogeanu-Gherea. Die linken rumänischen Aktivisten sammelten ihrerseits nicht zu unterschätzende Erfahrungen außerhalb Rumäniens. Die diesbezüglich bekannteste und repräsentativste Persönlichkeit ist Cristian Racovski.

Seine Biografie umfasst im ersten Teil seines Lebens Ausbildungsaufenthalte an Universitäten in Westeuropa, wo er auch mit den angesehenen Ideologen des europäischen Marxismus in Kontakt trat. Neben diesem Aspekt werden auch biografische Details aus der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg angesprochen, als Racovski infolge der Anfechtung der rumänischen Staatsbürgerschaft durch die Behörden genötigt wurde, mehrere Jahre im Exil zu verbringen.

 

22. Victor SPINEI (Rumänische Akademie, Institut für Archäologie)

 

Die Turkvölker des nordpontischen Raumes im 10.–13. Jahrhundert

 

Die Migration der nomadischen Turkstämme stellt ein komplexes ethno-demographisches Phänomen dar, das über etwa ein Jahrtausend im euroasiatischen Raum stattfand. Diese Migrationen, die ihren Ursprung in Zentralasien hatten, betrafen riesige Territorien, die im Westen bis in den Norden des Schwarzen Meeres, das Becken des unteren und mittleren Laufs der Donau und die Hälfte der Balkanhalbinsel reichten.

Die ethnischen Turk-Stammesverbände traten in dauerhafte Verbindung mit den Staaten und sesshaften Bevölkerungen aus dem Umfeld der eurasischen Steppe, wobei diese Beziehungen zu Phänomenen der Akkulturation und der gegenseitigen Befruchtung in verschiedenen Bereichen des wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens führten mit immerwährenden Wirkungen für ihre Entwicklung.

Für die Entschlüsselung der Fragen betreffend die Dynamik der Migrationen und die Art der Beziehungen zwischen Einheimischen und Fremden gibt es aufschlussreiche schriftliche und archäologische Quellen sowie Forschungen mit interdisziplinärem Charakter.

 

23.  Delia STEFENEL (Lucian Blaga Universität Hermannsdtat; Contemporary Balkania, Atena)

Spuren von Identität und Herkunft in der interkulturellen Kommunikation. Akkulturationsprozesse bei den rumänischen Migraten in Griechenland

 

Der Vortrag stellt die Ergebnisse einer empirische Studie über den Zusammenhang von Identität, Akkulturation und der zwischenmenschlichen Kommunikation in einem dreidimensionalen Modell vor. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis der interpersonellen Kommunikation von Migranten und Sprachhandlungen entsprechend ihrer Identifikation und Zugehörigkeit zu erhalten. Für die Studie wurden Daten von 192 rumänischen Migranten der ersten Generation gesammelt, die in Athen, Griechenland, (N = 192) leben. Dabei wird die die Methodik folgender Autoren angewandt: Ting-Toomey und Oetzel (2001) zur Messung von Identitätskonstrukten; eine angepasste Version von Zagefka und Brown (2002) zum Testen von Orientierungsansätzen der Kultur; Rosenberg's Scale (1965) und Diener, Emmons, Larsen und Griffin (1985) zur Bewertung intraindividueller Parameter sowie die Leistungsdifferenzskala von Earley und Erez (1997). Das wesentliche Erkenntnisinteresse unserer Forschung zielt auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in konfliktbeladenen Kommunikationssituationen in Abhängigkeit von situationsbedingten Parametern, die individuell oder kulturell bedingt sind. Dabei haben wir sowohl die rumänische Diaspora als auch die gastgebende griechische Gesellschaft im Blick. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der kulturellen Zugehörigkeitsrepräsentation und den diskursiven Praktiken in der Kommunikation der Migranten geschenkt, die sich in unterschiedlichen Akkulturationsphasen befinden.

 

24.  Daniel URSPRUNG (Zürich Universität)

 

Die Kriege gegen die Osmanen im 17. Jh. und erzwungene Migration. „Beute-Türken“ in einer schweizerischen Quelle

 

Im Jahr 1657 fand im Fraumünster in Zürich ein aussergewöhnlicher Anlass statt: drei «türkische Personen» wurden durch Taufe dem Christentum zugeführt. Berichtet wurde darüber in einer eigens zu dem Anlass gedruckten, 14-seitigen Broschüre, was bereits die Bedeutung unterstreicht, die dieser Taufe zugemessen wurde. Es ging um mehr als um die Bekehrung von drei Individuen: die Zürcher Eliten versicherten sich mit diesem Tauf-Akt der Überlegenheit der eigenen Weltanschauung gegenüber dem als Bedrohung empfundenen Osmanischen Reich. Die drei getauften Personen waren im Kindesalter aus Bosnien in den Besitz zweier Zürcher Söldnerführer geraten, die in venezianischen Diensten in Dalmatien gedient hatten. Das Beispiel beleuchtet die in der damaligen Zeit verbreitete Praxis der Zwangsmigration und Zwangstaufen, die über «Beutetürken» zu einem Kulturtransfer zwischen dem Osmanischen Reich und Zentraleuropa beitrug.

 

 

25. Alexandru-Dumitru ZUB (Gheorghe Zane Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung)

 

Aspekte der rumänischen Arbeitskräftebewegung in der EU. Lebensstandard, Lebensqualität und Perspektiven der Rückmigration

 

Die Migration kennt als grundlegendes demographisches Phänomen mehrere Dimensionen und Erscheinungsformen, die den Entwicklungsländern oder Ländern mit politischen Systemen, die die Bürgerrechte und -freiheiten eingrenzen, spezifisch sind. Angesichts der Globalisierung oder des Multikulturalismus wurden beispielsweise die ethnischen Migrationen von politischen Entscheidungen ermutigt und unterstützt. Die Migration der Arbeitskräfte in andere Staaten wurde jedoch zum globalen Phänomen, das mehrere politische, religiöse, wirtschaftliche und demographische Krisen kennzeichnet. Sie sind als vorhergehende Elemente der gegenwärtigen, offiziell anerkannten Krise zu verstehen.

Ausgehend von der Dynamik bzw. dem Sinken des Lebensniveaus und dem Sichern von entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften für den Arbeitsmarkt, versucht die Politik, den Personalmangel am Arbeitsmarkt mit Hilfe von Migration zu lösen. Während die Staaten der EU Rumänen als Arbeitskräfte mit vorwiegend geringerer Entlohnung annehmen (unqualifizierte Arbeit), scheint Rumänien eher bereit zu sein, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen, anstatt den Mindestlohn in rascherem Rhythmus anzuheben, um den europäischen Standards zu entsprechen. Der Beitrag versucht, die negativen Folgen der Massenemigrationswellen zu identifizieren und mögliche Prognosen auf eine Rückmigration zu entwerfen. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass der Entschluss von rumänischen Arbeitsmigranten, ins Land zurückzukehren, sowohl von den Lebensbedingungen im Migrationsland als auch den wirtschaftlichen, politischen vor allem aber sozialen Perspektiven in Rumänien abhängt.

 

 

Panel 2

 

DIE RUMÄNIENDEUTSCHEN. MIGRATION UND KULTURERBE NACH 1945

 

1. Remus Gabriel ANGHEL (Institut für die Erforschung der Fragen der nationalen Minderheiten, Klausenburg); Ovidiu OLTEAN (Babeș-Bolyai Universität Klausenburg)

 

Institutionen der ethnischen Minderheiten und transnationale Identitäten. Perspektiven aus dem transnationalen rumänisch-deutschen Raum

 

Rumänien ist in den letzten zwanzig Jahren zu einem der wichtigsten Ursprungsstaaten von Migration in Europa geworden. Die Folgen dieser Migration wurden sowohl in Rumänien als auch im Ausland meistens aus wirtschaftlicher Perspektive oder mit Blick auf soziale Normen untersucht. Weitaus weniger untersucht – und damit auch der breiten Öffentlichkeit weniger zugänglich – wurden die Folgen der Migration der ethnischen Minderheiten aus Rumänien unter dem Gesichtspunkt der Ethnizität und der Diversität in Rumänien und in Europa.

In unserem Beitrag fragen wir nach den Folgen für die Identität der Migrantinnen und Migranten sowie der Herausbildung einer ethnischen Gruppenidentität bei den Migranten sowohl in Rumänien als auch in Deutschland. Dabei zeigen sich zwei scheinbar paradoxe Prozesse: ein Teil der ausgewanderten Rumäniendeutschen durchläuft in Deutschland einen Prozess der Rumänisierung, während die ethnischen Rumänen in Rumänien einem Prozess der „Verdeutschung” durchlaufen. Erklärungen für diese beiden Prozesse liefern die Einrichtungen der ethnischen Minderheiten in den beiden Staaten (rumänische und deutsche Organisationen und soziale Netzwerke) sowie der transnationale Habitus der Migranten.  

 

2. Hannelore Baier, Ramona Besoiu, Sorin Radu (Lucian Blaga Universität, Hermannstadt)

 

Die Auswirkung der Migration der Deutschen aus Siebenbürgen auf das kulturelle Erbe der Sachsen. Fallbeispiele aus Gemeinden des Harbachtals

 

Die massive Auswanderung der Siebenbürger Sachsen stellt eine Herausforderung für das Bewahren des materiellen und immateriellen Kulturerbes dieser Gemeinschaft dar. Diese betrifft einerseits ihre nationale Identität und ihre Integration in den neuen Gemeinschaften vor allem in der Bundesrepublik Deutschland, und hat andererseits bedeutende Auswirkungen auf das in ihren ehemaligen Gemeinden zurückgelassene Kulturerbe. Wurde das sächsische materielle Kulturgut in den Herkunftsortschaften zum Großteil bewahrt, war das bezogen auf das immaterielle Erbe nicht zu erwarten.

Die in einigen, bis 1990 vor allem von Sachsen, aber auch Rumänen und Roma bewohnten Dörfern im Unteren Harbachtal/Valea Hârtibaciului, in denen nach 1990 sehr wenige oder gar keine Sachsen verblieben sind, durchgeführten Befragungen zeigen, dass in diesen Dörfern von den Sachsen übernommene Traditionen weiterhin bewahrt werden. Wurde im gastronomischen Bereich der „Hanklich” zu einer von allen ethnischen Gruppen an Feiertagen gebackenen Süßspeise, so blieb in den Gemeinschaften der Rumänen und Roma auch Spuren der traditionellen sächsische Einrichtung der Nachbarschaft erhalten. Die Nachbarschaft als Institution wird nicht bloß fortgeführt, sondern sie ist auch vergleichbaren Veränderungen ausgesetzt, wie sie bei den Sachsen zu beobachten war: aus einer Institution der gegenseitigen Nachbarschaftshilfe wandelte sie sich sie zu einer Art Verein zur gegenseitigen Hilfe bei der Totenbeisetzung. Der Beitrag zielt darauf zu zeigen, in welchem Maß die Nachbarschaften von Rumänen oder Roma übernommen wurden und welche Unterschiede in der Form und der Funktion sich feststellen lassen. Damit greift der Beitrag Phänomene auf, die in der Fachliteratur bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden haben. Die empirische Grundlage bilden Feldforschung in fünf Dörfern des Harbachtales: Rothberg/Roșia, Burgberg/Vurpăr, Holz-mengen/Hosman, Alzen/Alțâna und Leschkirch/Nocrich.

 

3. Angelika Beer (Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Berlin)

 

Berufsverbot nach der Auswanderung, Seelsorge und Kirchenburgentourismus. Die Rolle des Pfarrers der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien – 1979, 1989 und 2019 im Vergleich

 

Im Zuge der politischen Veränderungen seit der kommunistischen Zeit von 1945 bis 1989 in Rumänien, die existenzielle Umbrüche im sozialen sowie im persönlichen Leben der deutschsprachigen Minderheiten mit sich brachten, standen und stehen die Pfarrer der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) als Experten für innere, geistliche und äußere Orientierung innerhalb ihrer Kirchengemeinden, die sich aufgrund der Deutschsprachigkeit auch als soziale Gemeinschaften verstehen, in einer besonderen Herausforderung, diese Rolle ausfüllen.

Exemplarisch wird zunächst am Jahr 1979, zehn Jahre nach der Wahl von Albert Klein zum Bischof, gezeigt, wie sich die Ende der 1970er Jahre wegen der rapide ansteigenden Auswanderung der Deutschsprachigen aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Abkommen der EKR mit den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Nichtübernahme von ausgewanderten Pfarrern in den Pfarrdienst auf deren Selbstverständnis und Rolle als Kulturerbeträger auswirkten.

Der zweite Fokus liegt auf dem Jahr 1989 mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und des daraus unmittelbar resultierenden Massenexodus, der die in Siebenbürgen verbliebenen Pfarrer vor ganz neue Aufgaben stellte und sie sich in einer Situation wiedergefunden haben, die gänzlich ins Offene ging. Als dritter Vergleichspunkt wird anhand von Beispielen die gegenwärtige Situation von Pfarrerinnen und Pfarrern in Siebenbürgen beleuchtet, die mit den zahlreichen Kirchenburgenensembles und deren Ausstattung ein umfangreiches Kulturerbe zu verwalten und lebendig zu erhalten haben und als Person eine Schnittstelle von der Verkündigung des Evangeliums als kirchlichem Auftrag mit touristischen Anfragen und dem Blick in die Zukunft leben. Der Pfarrer als Reiseleiter für Gäste und als Orientierungsfigur sowohl für seine Kirchengemeinden in Siebenbürgen als auch in der Diaspora verbindet damit die drei Säulen der EKR, die Altbischof Christoph Klein im „Kirchlichen Zukunftskonzept“ von 2013 mit „Seelsorge, Diakonie und Kultur“ benannte, mit einer Hervorhebung der Kommunikation und des Kulturerbes, wovon sich viele andere Pfarrpersonen und Kirchengemeinden in Europa inspirieren und anregen lassen.

 

4. Mathias Beer (Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen)

 

Die Emigration der deutschen Minderheiten aus Rumänien nach 1945. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen

 

1930 betrug der Anteil der deutschen Minderheiten 4,1 Prozent an der Bevölkerung Rumäniens.  Das entspricht ca. 745.000 Personen. Bei der Volkszählung 1956 wurden rund 391.000 Angehörige der deutschen Minderheit gezählt. Das sind 2,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. 2011 registrierte das Statistische Amt Rumäniens nur noch rund 36.000 Personen, die sich zu den deutschsprachigen Minderheiten bekannten. Das entspricht einem Anteil von 0,18 Prozent der Bevölkerung Rumäniens. Das bedeutet, dass sich der Anteil der Angehörigen der deutschen Minderheiten in zwei Phasen deutlich verkleinert hat: In den 25 Jahren nach 1930 hat sie sich fast halbiert und ist in den Jahren von 1956 bis Anfang des zweiten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts nochmals um 355.00 Personen zurückgegangen. Zusammengefasst: Innerhalb der letzten rund 80 Jahre ist die Zahl der Angehörigen deutscher Minderheiten dramatisch gesunken ist. Setzt man den Wert von 1930 als Vergleichsmaßstab an, so lebten 2011 nur noch gut 4 Prozent der ehemals zweitgrößten Minderheit Rumäniens in Rumänien selbst. Oder, anders formuliert: In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der deutschen Minderheitengangehörigen und 96 Prozent verringert. Das ist verglichen mit der Entwicklung der Minderten in Rumänien außergewöhnlich. Und das ist auch im europäischen Vergleich einzigartig. Heute lebt der überwiegend Teil der ehemaligen deutschen Minderheiten Rumäniens verstreut über nahezu die gesamte Welt, von Europa über Amerika bis Australien. Der Siedlungsschwerpunkt liegt dabei in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Vortrag geht auf die Faktoren ein, welche diesen demographischen Veränderungen bewirkt haben, schildert die wesentlichen Etappen und geht auf die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen ein, die diese Migrationsvorgänge für Rumänien einerseits und die deutschen Minderheitengruppen hatten.

 

 

5. Cosmin BUDEANCĂ (Institut für die Erforschung der Verbrechen des Kommunismus und der Erinnerung des Rumänischen Exils, Bukarest)

 

Migration und Veränderungen der Identität bei den Deutschen in Siebenbürgen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

 

Die Auswanderung der Rumäniendeutschen zählt zu den folgenreichsten gesellschaftlichen Prozessen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa. Diese Migration wurde durch eine Reihe von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren begünstigt, die das Ende des Zweiten Weltkrieges und das kommunistische Regime mit sich brachten. Sie hat die deutsche Gemeinschaft in Rumänien auf dramatische Weise verändert.

Der Beitrag fragt nach einigen der wichtigsten Auswirkungen der Migration während der Zeit des Kommunismus und danach auf die individuelle und kollektive Identität der Deutschen in Siebenbürgen. Die Quellengrundlage bilden Archivunterlagen sowie oral-history-Interviews mit Deutschen und Rumänen aus gemischten rumänisch-deutschen Gemeinschaften in Siebenbürgen. 

 

6. Cristian CERCEL (Institut für Soziale Bewegungen, Ruhr-Universität Bochum)

 

Soziale Repräsentationen der Deutschen und der Roma in Rumänien nach 1989. Kulturelle Alterität versus soziale Alterität

 

„Die Sachsen und die Schwaben sind weg, aber wir sind mit den Zigeunern geblieben!“

„Nach der Aussiedlung der Sachsen sind die Zigeuner in die Häuser der Sachsen eingezogen; aber nicht um darin zu wohnen, sondern um Vorhandenes aufzubrauchen und zu verkaufen. […] Leider lassen sich viele Rumänen von den Gewohnheiten der Zigeuner anstecken und nicht von jenen der Sachsen, vor denen ich einen besonderen Respekt habe.“

„ZUFÄLLIGERWEISE oder NICHT, haben die Sachsen Häuser, Kirchen und Schulen gebaut, sie haben in ihrer Gemeinschaft und in ihrer Umgebung Ordnung und Disziplin eingeführt, wer sich anpasste, war in Ordnung, wer nicht, war frei wegzugehen… ich bin keine Rassistin, aber ich kann nicht anders als mich zu fragen: Was haben die Zigeuner gemacht, was haben sie gebracht? ... wir finden die Antwort in der Altstadt von Bukarest, in den sächsischen Dörfern, in unserer Gegend …“

Solche Aussagen über die An- und Abwesenheit der Deutschen in Siebenbürgen und im Banat sind in Presseartikeln, in Kommentaren oder in verschiedenen anderen Texten zu Hauf zu finden. Davon ausgehend und gestützt auf die von der Wissenschaftlerin Gina Philogène vorgeschlagenen theoretischen Unterscheidung zwischen kultureller und sozialer Alterität setzt sich dieser Beitrag mit den meistens antagonistischen Darstellungen der Deutschen und der Roma in der zeitgenössischen rumänischen Gesellschaft auseinander. Wenn die Deutschen (vor allem die Siebenbürger Sachsen) vorwiegend als Zivilisationsbringer und Verbreiter von Kultur wahrgenommen werden, werden die Roma hauptsächlich als Faulenzer, Ungebildete, Diebe, Straftäter, Kriminelle dargestellt. Steht die deutsche Minderheit für die Verbindung zu Europa, die uns näher an den Westen heranführt (sowohl auf der symbolischen als auch auf der wirtschaftlichen und politischen Ebene), so wird die Roma-Minderheit als Gegenpol dargestellt, die für das Entfernen von Europa steht und als ein Hemmnis beim Behaupten der europäischen Identität Rumäniens angesehen wird.

Die These des Beitrags lautet, dass diese antagonistischen Repräsentationen darauf hindeuten, dass die Deutschen die Rolle der kulturellen Alterität spielen, während die Roma als die soziale Alterität wahrgenommen werden. Während die kulturelle Alterität darauf hindeutet, dass das mit der Andersartigkeit verbundene Fremdheitsgefühl überwunden werden kann und dadurch eine Kompatibilität zwischen dem Eigenen und dem Fremden herstellbar ist, erlaubt die soziale Alterität kein Verständnis von gemeinsamen Zugehörigkeit oder gar einer gemeinsamen Identität. Die Unterschiede zwischen Gruppen werden hervorgehoben, um so die VertreterInnen der sozialen Alterität aus der Gruppe auszuschließen. Der Beitrag hinterfragt also kritisch die philo-deutschen Diskurse in Rumänien, sowie die Art und Weise in der diese Diskurse mit anti-Roma-Diskursen verknüpft werden. Damit macht er auf die beunruhigenden Auswirkungen dieser Darstellungen und diskursiven Mechanismen auf sozialer und politischer Ebene aufmerksam.

 

7. Vasile Ciobanu (Wiss. Mitarbeiter am Institut für Geisteswiss., Hermannstadt)

 

Die siebenbürgisch-sächsische Geschichtsschreibung als Teil des immateriellen Kulturerbe

 

Eine Geschichte der Geschichtsschreibung der Sachsen in Rumänien muss noch geschrieben werden, obwohl es bemerkenswerte Anfänge in dieser Hinsicht gibt. Der Beitrag fokussiert auf den Stellenwert der Forschungen sächsischer Historiker für die Bewahrung der nationalen Identität ihrer Gruppe und für deren Beziehungen zu ihren rumänischen und ungarischen Nachbarn in Siebenbürgen.

Die Erforschung der Geschichte der Sachsen war für sie ein wichtiges Mittel, um auf ihre historischen Rechte hinzuweisen und um ihr Selbstbewusstsein und ihre Identität als Gruppe zu behaupten. Diese Funktion der historischen Forschung verstärkte sich unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts, die auch als Folge der in Rumänien eingerichteten autoritären Regime den Wunsch nach Auswanderung begünstigten. Der Beitrag geht von der These aus, dass zwischen dem Interesse der Sachsen für die Geschichtserforschung und ihrer Auswanderung aus Rumänien eine gegenseitige Beziehung besteht. Mit der Intensivierung der Auswanderung ging ein gesteigertes Interesse an der Erforschung ihrer Vergangenheit in Rumänien, aber auch in Deutschland, Österreich und anderen Ländern ihrer Emigration einher. Besonders schwierig war die Lage der sächsischen Historiker in den Jahren des Kommunismus in Rumänien, insbesondere in der nationalistisch‑kommunistischen Zeit. Auch mit den Forschungen dieser Jahre haben wichtige Beiträge zur Zeit der Ansiedlung, der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Unruhen, des Zusammenlebens der Sachsen mit ihren Nachbarn in Siebenbürgen und anderen Themen vorgelegt.

Vor allem in den beiden letzten Jahrhunderten war es Ziel der sächsischen Historiker, mit ihren Erkenntnissen dazu beizutragen, die Selbstbehauptung der Sachsen als Gruppe zu unterstützen. Sie haben damit ein unschätzbares Erbe hinterlassen, das wichtige Quellensammlungen und zehntausende von Seiten Forschungsliteratur zu ihrer Geschichte umfasst, aber auch zur Geschichte der Rumänen und Ungarn sowie den gegenseitigen Einflüssen zwischen den Ethnien. Dem entspricht die von ihren rumänischer Kollegen wie Ioan Lupaș, Nicolae Iorga, Constantin Daicoviciu u. a. m. erfahrene Anerkennung und Hochschätzung. Auch deshalb ist die sächsische Geschichtsschreibung ein wertvoller Bestandteil des sächsischen Kulturerbes in und außerhalb Rumäniens.

 

8. Andreea Dumitru (Samuel von Brukenthal-Gymnasium,Hermannstadt)

 

Siebenbürgisches Schuldeutsch im Jahr 2019 am Beispiel des Samuel-von-Brukenthal-Gymnasiums

 

Trotz der massiven Auswanderung der Siebenbürger Sachsen ist das Interesse der rumänischen Bevölkerung für den Unterricht in deutscher Sprache gestiegen. Die Mehrheit der Schüler/innen sind keine deutschen Muttersprachler mehr, doch man kann auch schwer behaupten, dass sie Deutsch als Fremdsprache lernen. Mit Hilfe einer Datenerhebung wird der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis die Schüler/innen eines in Hermannstadt angesehenen Gymnasiums zu der deutschen Sprache stehen. Da fast alle Fächer in dieser Sprache angeboten werden und die Schule als sogenannnte DaM-Schule funktioniert, ist es für mich relevant, ob die Jugendlichen mit dieser Sprache eine emotionelle Bindung eingehen, weil die meisten von ihnen ab dem Kindergarten mit Deutsch aufgewachsen sind. Zu meiner Zielgruppe gehören Neunt- bis Zwölftklässer; es handelt sich dabei um über 400 Fragebögen, die zwischen Februar und März 2019 der Schülerschaft ausgehändigt werden.

Der bewusste Umgang mit der Sprache kann das Niveau der Kenntnisse verbessern und die Sprache der deutschen Minderheit auf dem Gebiet Rumäniens weiterführen. Leider sinkt das Sprachniveau jedes Jahr und die Lehrkräfte stehen vor der schwierigen Aufgabe die schulreiche Tradition aufrechtzuerhalten. Das Erbe der Siebenbürger Sachsen hängt mit dem Weiterbestehen der deutschen Sprache zusammen.

 

9. Mariana Hausleitner (Freie Universität, Berlin)

 

Lücken der Geschichtsschreibung. Landsmannschaften und NS-Geschichte der Rumäniendeutschen

 

Die Landsmannschaften in der BRD trugen viel zur Erforschung und Popularisierung der Geschichte der Rumäniendeutschen bei. Doch dabei gab es bezüglich der Neuzeit blinde Flecken und geschönte Darstellungen. Dies soll am Beispiel der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen und der Banater Schwaben skizziert werden. Bei den Deutschen aus der Bukowina wurde die 1940 erfolgte Umsiedlung von ihren damaligen Organisatoren zur Erfolgsgeschichte erklärt. Die Verstrickung der Umsiedler in die Vertreibung vieler Polen, Juden und anderer wurde kaum thematisiert.

Bei den Banater Schwaben wurde die Übernahme aller deutschen Institutionen durch die Volksgruppenführung als Errungenschaft dargestellt und die Sicht der damaligen Kritiker ausgeblendet. Sehr lange wurde über die Mobilisierung zu den SS-Verbänden und deren Einsätze geschwiegen.   

Die negativen Erlebnisse vieler Deutschen aus Rumänien während der Kriegsjahre wurden als traurige Einzelschicksale abgetan und vor allem das Leiden der im kommunistischen Rumänien Zurückgebliebenen hervorgehoben.

 

10. Roman Hutter (University of Michigan, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien)

 

Rumäniendeutsche Schriftsteller und ihre Bedeutung im kulturellen Kalten Krieg

 

Der Vortrag widmet sich der Frage, inwieweit westliche und östliche Kulturinstitutionen in der Zeit des Kalten Kriegs Einfluss auf Rumäniendeutsche Schriftsteller ausgeübt haben, um eigene kulturpolitische Interessen durchzusetzen. Besonderes Interesse gilt der Zusammenarbeit von Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und den USA, da diese dem Siebenbürger Sächsischen Schriftsteller Oskar Pastior 1968 zu einer Lesereise nach Österreich und West-Deutschland verhalf, von der er nicht wieder nach Rumänien zurückkehrte. Einige rumäniendeutsche Schriftsteller profitierten von dieser internationalen Zusammenarbeit und unterstützten diese gleichzeitig, was auch im Vortrag Erwähnung finden wird. Aber Pastior ist für eine solche Untersuchung besonders interessant, weil sich hier Ansprüche

Österreichs aus der Zeit der Habsburger Monarchie mit den kulturpolitischen Interessen der USA und West-Deutschlands im Kalten Krieg verbinden. Mit Hilfe einer Zusammenführung von Mikro- und Makroperspektive soll daher der Frage nachgegangen werden, inwieweit Identität und Kulturpolitik im Kalten Krieg korrelierten und dadurch Migrationsprozesse und kulturellen Transfer beeinflussten. Der Vortrag wird zeigen, dass US-amerikanische kulturpolitische Netzwerke mit Unterstützung der CIA österreichische und deutsche Kulturinstitutionen für ihre Zwecke nutzten und auf diese Weise indirekt Fluchtmöglichkeiten für rumäniendeutsche Schriftsteller eröffneten. Wien, und hier vor allem die Österreichische Gesellschaft für Literatur (ÖGfL), spielten im kulturellen Kalten Krieg eine einzigartige Rolle. So wurde auch Pastior von der ÖGfL zu seiner Lesereise eingeladen, die er zur Flucht nutzte.

Finanzierung dafür bekam die ÖGfL jedoch von US-amerikanischer Seite. Darüber hinaus soll jedoch ebenso reflektiert werden, dass Institutionen aus den damals kommunistischen Ländern Einfluss auf rumäniendeutsche Schriftsteller nahmen: z.B. positionierte sich die DDR in Konkurrenz zu Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bei der Förderung von deutschsprachigen Autor in Rumänien und der rumänische Geheimdienst nutzte die Einladungspolitik des Westens für den Zweck der Auslandsspionage. Pastiors Fluchtgeschichte belegt dies, da nachgewiesen werden kann, dass ihn die Securitate mit konkreten Bespitzelungsaufträgen nach Wien entsandte.

 

11. Alois Kommer (Sapientia Universität,Târgu Mureș)

 

Die landsmannschaftliche Presse als identitätsstiftendes Medium der ausgewanderten Rumäniendeutschen

 

In meinem Beitrag soll der Diskurs der zwei wichtigsten landsmannschaftlichen Presseerzeugnisse, der Siebenbürgischen Zeitung und der Banater Post hinsichtlich der Identitätsbildung der ausgewanderten Rumäniendeutschen behandelt werden. Die landsmannschaftlichen Zeitungen haben seit ihren Anfängen massiv für die Auswanderung geworben, aber auch als Stütze für die Aussiedler gedient. So haben sie zweifellos auch zur Bildung der „neuen“ Identität der Ausgewanderten beigetragen. Die Analyse beschränkt sich auf das Jahr 1990, auf die Zeit der Massenauswanderung der Deutschen aus Rumänien. Der Vortrag soll aufzeigen, ob und wie sich dieser identitätsbildende Diskurs nach den Ereignissen vom Dezember 1989 verändert hat. Es wird davon ausgegangen, dass nach dem Umbruch die erwähnten Publikationen ihren Weg zum Leser in Rumänien leichter gefunden haben, als in den Jahren der Ceaușescu-Diktatur und dadurch ihr Einfluss auf die Rumäniendeutschen wesentlich zugenommen hat.

 

12. James Koranyi (Durham University)

 

Iron Curtain Twitchers. A Romanian German Family during the Cold War

 

Germans from east-central Europe were able to travel across the Iron Curtain far more easily than most Europeans. Romanian Germans are a particularly striking example in this respect: there were still plenty of Germans who still lived in Romania while many of their friends and relatives lived ‘over there’ (drüben) in West Germany. Dotted around here and there were Romanian Germans who, for various reasons, also lived in Austria, North America, and indeed the GDR. The Cold War did not abruptly end connections between friends and families; in some cases, the division in Europe in fact intensified contact. Auswanderung did not simply leave behind a Romanian German Kulturerbe that existed on the periphery. Instead, Romanian Germans continuously constituted and reconstituted Romanian German culture, society, and infrastructure remotely and in webs of correspondence.

This paper will focus on one Romanian German family for thinking about the impact of (e)migration during the Cold War. In so doing, it will shed light on the rich network consisting of correspondence, visits, and material culture that existed across the Iron Curtain. The two siblings Roland Melzer (West Germany) and Martha Mesch (Romania) frequently wrote to each from the beginning of the Cold War until Roland Melzer’s death in the early 1980s. Part of that communication consisted of the Romanian side of the family asking for West German goods, and Roland Melzer duly obliged with a plethora of material from the West. Visits occurred during the three decades in both directions and these visits were digested afterwards in letters and postcards. At the same time, Roland Melzer formed a close friendship with a Romanian German couple who lived in the GDR. A similar relationship developed though as a slightly more equal partnership. These links left behind a plentiful collection of correspondence, articles, telegrams, receipts for goods, postcards and other material in the Siebenbürgen Institut. They are glimpses across the Iron Curtain from different vantage points. In all, then, this case study reveals a great deal about connections across the Iron Curtain, images of East and West, and the identity of a community at the centre of Cold War divisions.

 

13. Ioan LĂzĂrescu (Bukarest Universität), Doris Sava (Lucian Blaga Universität, Hermannstadt)

 

Beständigkeit im Wandel.  Deutsch nach der Wende in Rumänien. Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven

 

Nach der Massenauswanderung der Rumäniendeutschen prophezeite man medienweit einen bevorstehenden Sprachverlust: Die deutschstämmigen Sprechergruppen würden ihre Sprache an die nächste Generation nicht weitergeben können, sodass der langfristige Spracherhalt des Deutschen als Muttersprache in Rumänien gefährdet sei. Wenn auch in der ersten Dekade aus Schüler- und Lehrermangel Abteilungen mit deutscher Unterrichtssprache in den meisten Dörfern- und Kleinstädten abgebaut werden mussten, konnte sich der deutschsprachige Unterricht in Rumänien dennoch erhalten: Gehörten jedoch vor 1989 die Schüler deutschsprachiger Klassen vorwiegend der deutschen Minderheit an, so sind es nach dem starken Rückgang der Deutschen mehrheitlich Kinder aus Mischehen oder bei denen nur ein Großelternteil deutscher Herkunft ist, die vom Kindergarten bis zur Hochschulreife solche schulischen Einrichtungen besuchen, sodass die Nachfrage nach Einschulungsplätzen kontinuierlich stieg. Deutsch sicherte und sichert den Abiturienten landesweit und sogar im Ausland bessere Berufschancen. Für diese ist Deutsch allerdings nicht die im Alltag gebrauchte Sprache, sondern Bildungssprache und spätere Berufssprache. Und auch bei den ausländischen Unternehmen ist die Nachfrage an Arbeitskräften mit Deutschkenntnissen anhaltend hoch. Das in einigen Gebieten Rumäniens in der überregionalen Kommunikation verwendete Deutsch, allgemein unter der Bezeichnung „Rumäniendeutsch” (auch „rumänisches Deutsch“) bekannt, gilt als eigenständige Varietät der deutschen Sprache.

Ausgehend von der aktuellen Sprachsituation soll im Vortrag allgemein die Bedeutung von Deutsch als Bildungssprache und auch der Profilwandel der Germanistik reflektiert werden. Global wird die Jahrtausendwende als Anfang des „langsamen Abstiegs“ der Germanistik gewertet. Die demografische Entwicklung, der polyvalente Arbeitsmarkt und die zunehmende Orientierung an pragmatischen Bedürfnissen, weitreichende bildungspolitische Entscheidungen, darunter die Rolle von Englisch als bevorzugte Fremdsprache auch in der universitären Ausbildung, der allgemeine Rückgang des prozentualen Anteils der Deutschlernenden an der Gesamtbevölkerung, heterogene und sinkende Sprachkenntnisse der Studienanwärter, wachsende Mobilität und Globalisierung sowie der staatliche Finanzierungsmodus bedingen u.a. eine Abwendung von der klassischen Philologie – damit auch einen Imageverlust des Germanistikstudiums und rückläufige Immatrikulationsraten –, was die Existenz germanistischer Lehrstühle, die sich zudem der Gefahr ausgesetzt sehen, zu reinen Sprachschulen degradiert zu werden, stark gefährdet.

 

14. Simona MALEAROV (ASTRA Museum, Hermannstadt)

 

Neppendorf, eine Ortschaft, drei Identitätsgruppen

 

Ein besonderes Modell des multikulturellen Zusammenlebens in Siebenbürgen bietet Neppendorf/Turnişor, das seit 1951 verwaltungsmäßig ein Stadtviertel von Hermannstadt/Sibiu ist. Hier haben über mehrere Jahrhunderte drei ethnische Gruppen – Sachsen, Landler und Rumänen – zusammengelebt, ohne auf ihre spezifische Identität zu verzichten.

Sind die Siebenbürger Sachsen dank ihrer über 850 Jahre alten Geschichte bekannt und erfreuen sie sich heute einer breiten Aufmerksamkeit in den Medien, kann dasselbe nicht von der im Kreis Hermannstadt/Sibiu lebenden Gemeinschaft der Landler gesagt werden, die ihre Wurzeln ebenfalls im deutschsprachigen Raum Mitteleuropas hat. Sowohl die Sachsen als auch die Landler stellen ein Modell für das Bewahren der ethnischen, kulturellen und religiösen Identität dar. Erkannt und unterschieden werden können sie an ihrer Mundart und Kleidung.

Der vorliegende Beitrag fußt größtenteils auf kürzlich geführten Interviews über das Leben vor und nach der großen Auswanderung von 1989. Es sind Interviews mit Sachsen, Landlern oder Rumänen, die in Neppendorf leben, sowie mit Sachsen und Landlern, die nach Deutschland umgesiedelt sind. Das Thema wurde gewählt, weil Neppendorf/Turnişor ein Beispiel des Zusammenlebens auf relativ engem Raum darstellt, in dem jede Gruppe ihr ethnisches und kulturelles Kulturerbe behalten hat, selbst wenn es im Verlauf der Zeit gegenseitige Beeinflussung gegeben hat. Der Beitrag stellt folgende Fragen: Wie hat sich die Strenge und Nüchternheit der Sachsen und Landler auf die rumänische Bevölkerung ausgewirkt? Was für „sächsische Modelle” sind im Jahr 2019, 30 Jahre nach der großen Auswanderung ins Ursprungsland Deutschland/Österreich erhalten geblieben?

 

15. Hans-Christian MANER (Historisches Seminar, Johannes-Guttenberg-Universität, Mainz)

 

Geschichte und Erinnerung. Perspektiven der siebenbürgisch-sächsischen Regionalliteratur auf den Zweiten Weltkrieg

 

Ausgehend von der literarischen Gattung der Heimatbücher und deren besonderen Perspektivität und Funktion greift der Beitrag den Umgang mit einer bestimmten Zeit in einem konkreten Ort heraus. Es werden Aspekte des Nationalsozialismus im siebenbürgischen Zeiden beleuchtet. Im Mittelpunkt steht der belletristische Roman „Zeiden, im Januar“ von Ursula Ackrill, der aus dem Blickwinkel und mit dem Handwerkszeug eines Historikers gelesen wird. Dabei werden die in diesem literarischen Werk an bestimmten fiktiven und historischen Figuren geschilderten Haltungen zum Nationalsozialismus sowie zur Identität der Siebenbürger Sachsen in diesem Ort herausgegriffen und gedeutet.

 

16. Ernst Meinhardt (Berlin)

 

Der Freikauf der Rumäniendeutschen. Was wir wissen und was weiter unter der Decke gehalten wird

 

Bis 1989 konnte kein Deutscher aus Rumänien ausreisen, wenn dafür nicht gezahlt wurde. Auf der einen Seite gab es die „offiziellen“ Pro-Kopf-Zahlungen der Bundesregierung, die in streng geheimen Verhandlungen bilateral vereinbart wurden. Vor allem in den 1980er Jahren kamen Bestechungsgelder hinzu, die die Ausreisewilligen „freiwillig“ zahlten, um ihre Chance auf eine Ausreisegenehmigung zu verbessern. Über die „offiziellen“ Zahlungen kennen wir mittlerweile sehr viele Details, weil der langjährige bundesdeutsche Verhandlungsführer, der Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordnete Dr. Heinz Günther Hüsch, nach über vierzig Jahren Zwangsschweigen mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit gehen durfte. Über das Schmiergeldunwesen ist unser Wissen dagegen nur bruchstückhaft, weil beide Seiten – Schmiergeldzahler und Schmiergeldkassierer – hartnäckig schweigen. Dass die Kassierer schweigen, überrascht nicht. Wer gibt schon gerne zu, dass er Teil eines korrupten Systems war? Denn so viel ist klar: Auch wenn sie es stets leugneten – das Schmiergeld wurde von denselben Securitate-Offizieren verwaltet, die auch für die „offiziellen“ deutschen Zahlungen zuständig waren. Doch warum schweigen auch die meisten Schmiergeldzahler? Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter: Immer noch Angst vor dem langen Arm der Securitate. Aber auch eine gewisse Dankbarkeit: „Mag sein, dass die Securitate-Leute übel beleumundet waren. Doch sie haben mir geholfen, aus Rumänien herauszukommen. Warum soll ich sie jetzt verpfeifen?“ Schließlich spielt die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen eine Rolle: Es ist eine Straftat, sich bestechen zu lassen. Es ist aber auch eine Straftat, andere zu bestechen.

 

17. Gwénola Sebaux (Katholische Universität der West-Angers)

 

Aussiedlungsfolgen – Abschied von der kulturellen Einheit? Zu den multiplen Verortungen von emigrierten Rumäniendeutschen

 

Im Beitrag sollen die identitätsrelevanten Folgen der Emigration für die Rumäniendeutschen untersucht werden. Ich werde Befunde aus einer empirischen Untersuchung vorstellen, die ich Anfang der 2010erJahre in Deutschland und Rumänien parallel durchgeführt habe. Fokussiert werden hier die Erkenntnisse der Deutschland-Untersuchung. Dabei stellt sich heraus, dass die Selbstpositionierungen (Verortungen) der Rumäniendeutschen viel zu differenziert sind, um in der lapidaren „(Spät)Aussiedler“-Formel aufzugehen, die sich im historischen bundesdeutschen Diskurs durchgesetzt hat. Es ist besonders aufschlussreich, in diesem Sinne Formen und Funktion der Erinnerung an die kulturelle Einheit einer deutschen Minderheit zu analysieren.

Mit Fokus auf die Banater Schwaben werde ich mich zwei inhaltlichen Schwerpunkten widmen: Immaterielles Erbe, und Integration bzw. Akkulturation in Deutschland. Zuerst werden verwickelte Artikulierungsformen von Erinnerung und Identität herausgearbeitet und damit Einsicht in die Produktion von Neuidentifikationen gewährt. Dann werden Akkulturationsstrategien und die damit verbundenen Herausforderungen ergründet.

Daran anschließend will ich mich mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Wie entspinnen sich über Raum und Zeit die Identitätswandlungen der Betroffenen? Welche Kontinuitäts- und Diskontinuitätslinien gibt es in ihren Biographien? Steht letzten Endes nach der Migration die „Kulturidentität“ auf dem Spiel? Wie gehen die Betroffenen damit um?

Zudem soll diskutiert werden, inwieweit sie ihre eigenen, häufig schmerzhaften Erfahrungen verarbeiteten und zugleich das historische hegemoniale Narrativ der „erfolgreichen“ deutschen Siedler und das der schützenden Bundesrepublik re-evaluierten.

Ziel der Überlegung ist letztendlich, den Blick über die Aussiedlungsfolgen zu schärfen und aufgrund von neueren Aussiedleraussagen Konkreteres zum Spannungsverhältnis von Erinnerung und Identität wahrzunehmen. Abschließend vertritt dieser Beitragsvorschlag die These, dass der Aussiedler-Begriff eine restriktive Wahrnehmung von den Akteuren hervorruft, die aus mancher Sicht fragwürdig ist.

 

18. Scott Spector (Michigan University, An Arbor)

 

Transylvanian Saxon Images of Loss and Belonging in Modernity

 

The German-Romanian poet Dieter Schlesak (b. 1934) penned the elegies collected under the title Transilvania Mon Amour in relation to a set of poignant images of desertion, loss, and longing. He begins his book referring to the two-volume photograph album by Transylvanian sculptor Peter Jacobi, a highly aestheticized display of elaborately staged and touching still-life compositions of abandoned Transylvanian Saxon sites. These works, among several others, exploit a reflection on existence as loss, as always under threat, as fragile, as spectral. The first word of Schlesak’s first poem, in all bold capitals, is SCHWACH—an echo from nowhere.

This echo, however, comes from somewhere. In this contribution I would like to compare these and other post-1945 aesthetic productions of tragic fragility and loss to Transylvanian Saxon self-representations from periods of presumed greater strength and vitality over the nineteenth and twentieth centuries.  Analysis of a picture book of Transylvanian ethnography from 1813, songs and poems from the period around 1848, and  the correspondence of the historian and bishop Georg Daniel Teutsch (1817-1893) with the Prussian historian Heinrich von Treitschke (1834-1896) in the wake of the establishment of the Dual Monarchy will be set against post-1945 representations of national belonging and heritage. An alternative post-1945 model is offered by Schässburg poet Ursula Bedners (1920-2005).

 

19. Anton Sterbling (Hochschule der Sächsischen Polizei,Fürth)

 

Zur spezifischen Dynamik und Eigendynamik der Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien und deren langfristige Folgen für die kollektive Identität und das kulturelle Erbe

 

 Der Aussiedlungsprozess der Deutschen aus Rumänien wurde schon viel-fach untersucht und unter verschiedenen Gesichtspunkten mehr oder weni-ge gründlich betrachtet. Dabei erscheinen die dynamischen Aspekte der sich verändernden außen- und innenpolitischen Rahmenbedingungen und Ursachenkonstellationen in den 1960er, 1970 und 1980er Jahren wie auch die eigendynamischen Komponenten der Aussiedlungsvorgänge, vor allem auch im Zusammenspiel mit sozialstrukturellen und institutionellen Rück-wirkungen und Gegebenheiten, weiterhin auffällig unteranalysiert.

Der ins Auge gefasste Beitrag will sein Hauptaugenmerk daher vor allem auf diese historisch eingebundenen dynamischen und eigendynamischen Aspekte des Aussiedlungsgeschehens und seiner Aus- und Rückwirkungen richten, denn diese prägten auch in spezifischer Weise die Dynamik der Beziehungen zwischen den bundesdeutschen Aussiedler- und ihren heimat-lichen Herkunftsmilieus (Sebaux 2015) und haben damit durchaus auch langfristige Auswirkungen auf das kollektive Identitätsverständnis und kul-turelle Erbe (Sterbling 2018; Sterbling 2019), die exemplarisch aufzuzeigen sind. Darüber hinaus kann man aus diesen Analysen übrigens auch genera-lisierbare Erkenntnisse für ähnlich gelagerte Migrationsprozesse gewinnen.

 

20. Claudia Şerbu (Transilvania Universität, Kronstadt)

 

Der deutsche Kulturraum in Deutsch-Weißkirch nach 1999 am Schnittpunkt von Tradition und Neuerung

 

Die Siebenbürger Sachsen aus Deutsch-Weißkirch galten schon immer als Musterbeispiel für Arbeit und soziale Organisation. Ende der 1990er Jahre stellten nicht-deutsche Bevölkerungsgruppen das „lokale Deutschtum“ wieder her und integrierten es in dem Konzept des alternativen „community based tourism“. Man spricht über einen „Philogermanismus ohne Deutsche“, eine „Neuerfindung der sächsischen Kultur ohne Sachsen“.

Ich schlage eine empirische Arbeit vor, die den kulturellen Transfer in Deutsch-Weißkirch rekonstruieren soll. Folgende Fragen sind durchschlagend. Welche sächsischen kulturellen Elemente (Handwerke, Ernährungs- und Sozialisierungspraktiken, Artefakte und Erinnerungen) wurden zu ökonomischen Ressourcen und welche Auswirkungen hatte das neue Dorfbild auf die Identitätskonstruktion der ansässigen sächsischen Bevölkerung? Welche Stellung nahmen die sächsischen Familien zu ihrer eigenen kulturellen Vergangenheit, wie veränderte sich das Verhältnis zu ihrer eigenen Geschichte und wie integrierten sie die neu entstandenen Ansätze in ihren Alltag? Kann man im Kontext der kulturellen Vermarktung noch von Authentizität sprechen? Führt die museale Aufführung der Bräuche und Sitten zum Bewusstsein des eigenen Wertes oder zur kulturellen Entfremdung?

Vor dem Hintergrund zahlreicher ehemals sächsisch geprägten Ortschaften, in denen das sächsische Kulturerbe nicht als Teil der lokalen Identität wahrgenommen wird, soll ermittelt werden, welche zukünftigen Risiken dieser kulturelle, soziale und ökonomische Wandel für die ansässige Bevölkerung tragen könnte.

 

 

21. Josef Wolf (Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde,Tübingen)

 

Aussiedlung und Kulturerbe. Was bleibt von der banatdeutschen materiellen Kultur?

 

Der demographische Niedergang der deutschen Minderheit in Rumänien zwingt zu einer Auseinandersetzung mit der materiellen Kultur  der einzelnen regionalen Bevölkerungsgruppen. Gesellschafts- und zeitgebunden lebten die Aussiedler mit physisch präsenten Objekten innerhalb einer sie umgebenden materiellen Kultur. Die Dinge, die ihr persönliches Umfeld prägten, blieben in der Regel zurück, nur ausnahmsweise wurden sie zu unauffälligen Begleitern, die in der neuen Heimat selten intensiv und eher anlassbezogen wahrgenommen werden. Die Untersuchung ist auf die materielle Kultur der Banater Schwaben gerichtet und bezieht sich auf die Bedeutung der Dinge in der alten und neuen Heimat. Zunächst wird die grundlegenden Begriffe von „materieller Kultur“ und „nationales Kulturerbe“ problematisiert, um dann auf den erhaltenswert erachteten Denkmalbestand im Lichte der amtlichen Liste historischer Denkmäler einzugehen. Dabei wird nach der Wichtigkeit und Bedeutung bestimmter Objekte für die heutige Ortsbevölkerung wie auch nach dem Stellenwert der materiellen Kultur der Banater Schwaben in der regionalen Siedlungs- und Museumslandschaft gefragt.